Alois Woldan (sieh das Foto), Professor an der Universität Wien, ein beruflicher Übersetzer, Slawist, Literaturwissenschaftler, Kulturologe übersetzte ins Deutsche eines der romantisch-epischen Werke Alexander Korotkos – sein Poem „BACHTSCHYSSARAJ“, das seines Erachtens ein zweifelloser Erfolg des Autors ist.
Im Werk des Dichters, der mehrere sehr verschiedene Länder besucht hat, legten sich die bei diesen Reisen erlebten (gar nicht touristischen, eher kulturologischen) Eindrücke aufs Papier als Gedichte, Essays, Poeme, in denen sich die durch die Empfindung des Realen und Irrealen, tiefe philosophische Überlegungen und Verallgemeinerungen, genaue Betrachtungen hervorgerufenen Bilder bizarr verflochten – Abdrücke der Präsenz des Dichters „hier und jetzt“. Das Poem hat ganz konkrete Entstehungsdaten: 26. August 2005 – 13. November 2006. Genauer lässt sich kaum datieren.
In der Reihe anderer „geographischer“ Poeme („VENEDIG“, „PARIS“, „JERUSALEM“) nimmt „BACHTSCHYSSARAJ“ eine besondere Stelle ein, vielleicht dank seinem orientalischen Kolorit, einer noch nicht akkulturierten Exotik und jener wahrlich globalen Energie, die im historischen Inneren der Erde verborgen ist und sich an den Bruchstellen der Klüften des Josafat-Tals nach außen losreißt.
Nicht historische Peripetien, nicht Schicksale der Völker und einzelner Persönlichkeiten wurden zum Gegenstand der dichterischen Aufmerksamkeit von Alexander Korotko, wie es zu erwarten wäre, indem man an seine großen Vorgänger denkt (Alexander Puschkin mit seinem „Springbrunnen von Bachtschyssaraj“ oder Adam Mickiewicz mit seinem raffinierten Sonett „Bachtschyssaraj“). Das Schlüsselwort für dieses Poem Korotkos ist Mystik. Mystik der Gegend, der Zustände, der Vorahnungen.
Wir bieten den Prolog zum Poem „Bachtschyssaraj“ in der Originalsprache und in der adäquaten Begleitung der wunderbaren Übersetzung Alois Woldans, der mit dem Autor dauernd zusammenarbeitet und deren schöpferische Verbindung ihre spürbaren Früchte bringt.
Die ätzende Sonne verschreckte den Mond.
Mit seinen Zähnen bohrte sich der Wald in die Berge.
Wege verwandelten sich in Zugluftgassen.
Nicht, dass die Zeit von Bosheit geatmet hätte,
sondern nur so. Auf den Straßen tollte die Stille.
Mit dem Rücken zur Dunkelheit standen
die Goliath-Felsen. Und die Karaiten kamen
auf den Friedhof um zu sterben, in ihr Paradies,
von einem seligen Gedenken beschützt.
Die kleinen Völker haben immer die Ewigkeit
vor Augen. Sie legen unter den Kopf der Nacht
ihre Leiden und Fahrten und schlafen ein in
der Wärme, gehätschelt vom Flackern der Kerze.
Hier ist es unanständig einander zu erkennen.
Die Gesellschaft aufdringlicher Freunde hast
du verlassen, nun bist du du selbst. Besteige
den Zug und komm. Der Alltag hat die Hiesigen
um die Philosophie gebracht. Doch das ist
nur ein Vorwand. Schau auf ihren Gang. Schau,
da geht eine Frau, hinter ihr ein alter Mann?
Nicht Trauer und Gram, sondern Erwartung und
Sorge, ihren einzigen Reichtum, tragen sie
hartnäckig und mit Würde, wie ein Joch auf
den Schultern, und in diesem Reich des
Nichtwissens lebt ein unverwechselbarer Geist.
Sich selbst vergessen, das ist hier der erste
Grund, der Beginn der Wanderung. Touristen sind
hier unerwünschte Gäste. Auch wenn es viele
davon gibt. Sie schauen drein, wie Möwen auf
dem Pier in einem Hungerjahr. Kann denn
das Meer töten? Hier die Entfernung – eine Sache
für sich, eine Wirklichkeit des Jenseits, und wenn
ein Licht im Fenster brennt, glaub es nicht.
Das Leben des Städtchens zu leben ist schmählich
und sinnlos. Alle Zeichen der Interpunktion sind
hier nicht angebracht, und nur die drei Punkte
gewinnen eine solche Kraft, dass, wäre da nicht
der Wind, ich nicht wüsste, wohin das alles führte.
Alle Sorgen und Mühen bringt der Sommer.
Sich Fügen ruft nach Trennung. Der Herbst kommt.
Und die größte Trauer ist noch immer gierig
nach Rache. Verzärtelt führt ein Pinsel an der Hand
einen Stammgast. Und es stöhnt das Herz jeden
Morgen, als himmlisches Manna fällt der Tau auf
die Erde. Und man möchte alles lassen und weggehen.
Erdulden ist nicht meine Sache.
Übersetzung von Alois Woldan